30 Jahre Direktzahlungen
Vor 30 Jahren stiess die damalige Agrarpolitik an ihre Grenzen. Die Antwort war die Einführung und der Ausbau von neuen Direktzahlungen, verbunden mit einem schrittweisen Abbau der Markteingriffe. Um die Zielerreichung zu verbessern, wurden die Direktzahlungen in mehreren Etappen weiterentwickelt.
Agrarpolitische Zeitenwende
Alte Agrarpolitik stösst an Grenzen
Nach dem Zweiten Weltkrieg prägten für lange Zeit zwei Hauptinstrumente die Schweizer Agrarpolitik: Staatliche Preis- und Absatzgarantien für die wichtigsten Produkte wie Milch, Brotgetreide oder Kartoffeln und ein sehr hoher Grenzschutz. Diese Politik stiess Anfang der neunziger Jahre an ihre Grenzen. Ausdruck davon waren im internationalen Vergleich sehr hohe Preise für Lebensmittel, intensive Produktionsmethoden und laufend höhere Ausgaben des Bundes für die Produkteverwertung. Mit der 1986 begonnen Uruguay-Runde des GATT (heute WTO) baute sich zudem internationaler Druck auf, die Schweizer Agrarpolitik grundlegend zu reformieren.
Neue Direktzahlungen und Abbau der Markteingriffe
Die Zeitenwende kam 1992: Auf Vorschlag des Bundesrats beschloss das Parlament die Rechtsgrundlagen für die Einführung neuer produktionsunabhängiger Direktzahlungen. Diese neuen Direktzahlungen zur Abgeltung gemeinwirtschaftlicher und ökologischer Leistungen traten 1993 in Kraft und ergänzten bereits bestehende Direktzahlungsarten (Hang- und Sömmerungsbeiträge, Kostenbeiträge an Viehhalter im Berggebiet, Beiträge an Kuhhalter ohne Verkehrsmilchproduktion). Bei den neuen Direktzahlungen nach Artikel 31a des damaligen LwG (genannt «ergänzende Direktzahlungen») stand die Sicherung eines angemessenen Einkommens im Vordergrund. Damit sollte die Landwirtschaft unterstützt werden, die von ihr verlangten gemeinwirtschaftlichen Leistungen wie der Schutz und die Pflege der Kulturlandschaft zu erbringen. Mit den Direktzahlungen nach Artikel 31b («Ökobeiträge») wurden hingegen besondere ökologische Leistungen gefördert. Dazu wurden vier Programme geschaffen, nämlich die Ökologischen Ausgleichsflächen, die Integrierte Produktion, der Biologische Landbau sowie die «Kontrollierte Freilandhaltung von Nutztieren» (RAUS). 1996 wurde mit dem Programm «Besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme» (BTS) ein weiteres Tierwohlprogramm eingeführt. Die Direktzahlungen nach Artikel 31a und 31b wurden in den Folgejahren rasch ausgebaut. Das Parlament beschloss, dass nach einer Einführungsphase die beiden Gruppen von Zahlungen die gleiche Grössenordnung erreichen sollen. Deshalb nahm die Beteiligung an den Massnahmen gemäss Artikel 31b rasant zu. Während 1993 beispielsweise 14 Prozent der Direktzahlungsbetriebe nach den Regeln der Integrierten Produktion wirtschafteten, waren es 1998 bereits 73 Prozent.
Parallel zum Ausbau der Direktzahlungen reduzierte der Bundesrat die staatlich fixierten Preise sowie die produktgebundenen Zahlungen. Schrittweise gesenkt wurden auch die Zölle und die Exportsubventionen. Mit diesen Anpassungen konnte die Schweiz auch ihre internationalen Verpflichtungen erfüllen, die sich aus dem Abschluss der Uruguay-Runde ergeben hatten.
Einführung des Ökologischen Leistungsnachweises
Neue Verfassungsgrundlage und Neustrukturierung der Direktzahlungen
1996 beschlossen Volk und Stände eine neue Verfassungsgrundlage für die Landwirtschaft (heute Art. 104 BV). Der Bundesrat unterbreitete dem Parlament auf dieser Grundlage die Botschaft zur Agrarpolitik 2002. Im Zentrum der Reformvorschläge stand die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und die Stärkung der ökologischen Leistungen der Landwirtschaft («Mehr Markt, mehr Ökologie»). Mit der Umsetzung der Reform 1999 wurden alle staatlichen Preis- und Absatzgarantien aufgehoben und die Mittel für die Marktstützung innerhalb von fünf Jahren um einen Drittel reduziert. Auch bei den Direktzahlungen kam es zu Anpassungen. Geschaffen wurden folgende zwei Kategorien:
Ökologische Direktzahlungen: Sie dienten als Anreiz für besondere ökologische Leistungen und umfassten die Direktzahlungen gemäss dem alten Art. 31b LwG (ohne die Beiträge für die Integrierte Produktion) sowie die Beiträge für Extensogetreide, die Sömmerungs- sowie die Gewässerschutzbeiträge.
Allgemeine Direktzahlungen: Diese dienten der Abgeltung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen und umfassten alle übrigen Direktzahlungen neben den ökologischen Direktzahlungen. Die bisherigen ergänzenden Direktzahlungen (gemäss Art. 31a LwG) und die Beiträge für die Integrierte Produktion (gemäss Art. 31b LwG) wurden zu einem Flächenbeitrag fusioniert.
ÖLN als Grundvoraussetzung für die allgemeinen Direktzahlungen
Eine wichtige Änderung war die Einführung des Ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) als Grundvoraussetzung für den Bezug der allgemeinen Direktzahlungen. Die Anforderungen entsprachen im Wesentlichen den Richtlinien des Programms der Integrierten Produktion und umfassten eine ausgeglichene Düngerbilanz, ein angemessener Anteil ökologischer Ausgleichsflächen, eine geregelte Fruchtfolge, einen geeigneten Bodenschutz sowie einen gezielten Einsatz der Pflanzenschutzmittel.
Klarere Ausrichtung auf die Verfassungsziele
Evaluationen zur Wirksamkeit des Direktzahlungssystems hatten aufgezeigt, dass insbesondere bei den allgemeinen Direktzahlungen ein Verbesserungspotenzial bestand. Mit der Agrarpolitik 2014–2017 wurden daher die Direktzahlungen klarer auf die agrarpolitischen Ziele der Bundesverfassung ausgerichtet und die Aufteilung zwischen allgemeinen und ökologischen Direktzahlungen aufgehoben. Folgende neuen Direktzahlungskategorien wurden definiert:
Direktzahlungskategorien ab 2014
Direktzahlungskategorien | Ziel |
---|---|
Kulturlandschaftsbeiträge | Offenhaltung der Kulturlandschaft |
Versorgungssicherheitsbeiträge | Erhaltung der Produktionskapazitäten |
Biodiversitätsbeiträge | Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt |
Landschaftsqualitätsbeiträge | Erhaltung und Förderung vielfältiger Kulturlandschaften |
Produktionssystembeiträge | Förderung besonders naturnaher, umwelt- und tierfreundlicher Produktionsformen |
Ressourceneffizienzbeiträge | Nachhaltige Nutzung von Ressourcen und zum effizienten Einsatz von Produktionsmitteln |
Übergangsbeiträge | Gewährleistung einer sozialverträglichen Entwicklung der Landwirtschaft |
Materiell die wichtigsten Änderungen waren die Umlagerung der tierbezogenen Direktzahlungsbeiträge für Ganzjahresbetriebe (mit Ausnahme der Tierwohlbeiträge) in flächenbezogene Versorgungssicherheitsbeiträge, die deutliche Aufstockung der Mittel für die Erreichung ökologischer und landschaftspflegerischer Ziele sowie eine Umverteilung von Direktzahlungsbeiträgen vom Tal- ins Berggebiet (inkl. Sömmerung).
Weitere Ausdifferenzierung
Im Zuge der Umsetzung der parlamentarischen Initiative 19.475 «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» (Pa.Iv. 19.475) wurden per 2023 weitere Anpassungen im Bereich der Direktzahlungen umgesetzt. Erstens wurde der ÖLN angepasst. Unter anderem dürfen Wirkstoffe mit erhöhten Risikopotenzialen grundsätzlich nicht mehr angewendet werden. Zweitens wurden neue Produktionssystembeiträge eingeführt. So wird neu beispielsweise die Reduktion von Treibhausgas- und Ammoniakemissionen sowie der Stickstoffüberschüsse unterstützt.
Weitere Anpassungen im Direktzahlungssystem hat das Parlament im Rahmen der Agrarpolitik 2022+ beschlossen. Die entsprechenden Bestimmungen treten ab 2025 in Kraft. Dazu gehören die Stärkung des Sozialversicherungsschutzes für mitarbeitende Ehepartnerinnen und Ehepartner und die Zusammenlegung der Vernetzungs- und der Landschaftsqualitätsbeiträge.
Fazit und Ausblick
Die Einführung der neuen Direktzahlungen und ihr rascher Ausbau waren ein Kernelement der Agrarreform von 1993. Die neuen Zahlungen unterstützen die Landwirtschaft bei der Ausrichtung auf sich verändernde gesellschaftliche Erwartungen. Aufgrund ihres substanziellen finanziellen Umfangs wurden sie zudem rasch zu einem wichtigen Einkommensbestandteil. Die Direktzahlungen sind bis heute ein zentrales Instrument der Agrarpolitik und im Grundsatz nicht bestritten. Es zeigen sich aber vermehrt Grenzen: Aufgrund der fortlaufenden Ausdifferenzierung ist das Direktzahlungssystem sehr komplex geworden. Zudem wird deutlich, dass gesellschaftliche Ziele, insbesondere im Umweltbereich, nicht alleine mit finanziellen Anreizen und mit Massnahmen, die ausschliesslich auf die Landwirtschaft ausgerichtet sind, erreicht werden können. Der Bundesrat hat im Postulatsbericht «Zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik» Ansätze für die Weiterentwicklung der Direktzahlungen aufgezeigt. Denkbar sind die Zusammenfassung differenzierter Programme zu teilbetrieblichen oder gesamtbetrieblichen Programmen, die Nutzung der Digitalisierung für die Vereinfachung, die Einführung einzelner strenger Anforderungen im ÖLN statt einer Vielzahl freiwilliger Einzelmassnahmen, eine stärkere Ausrichtung auf ergebnisorientierte anstelle von massnahmenorientierten Zahlungen oder auch der Ersatz gewisser jährlicher Zahlungen (Direktzahlungen) durch Einmalzahlungen (Strukturverbesserungen). Zudem muss die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zu den Konsumentinnen und Konsumenten künftig mehr Selbstverantwortung zur Erreichung von Umweltzielen übernehmen. Insgesamt haben sich die Direktzahlungen jedoch bewährt. Zusammen mit dem Abbau der Markteingriffe schufen sie die Voraussetzung für eine unternehmerisch handelnde und marktgerecht produzierende Landwirtschaft, die gleichzeitig die Umwelt weniger belastet und mehr ökologische Leistungen erbringt.
Zeitstrahl zu den wichtigsten Reformetappen
1993 Art. 31a und b LwG: Neue ergänzende und ökologische Direktzahlungen
1999 AP 2002: Einführung Ökologischer Leistungsnachweis (ÖLN)
2014 AP 2014–2017: Verstärkung der Zielorientierung
2023 Pa.Iv. 19.475: Anpassung ÖLN, neue Produktionssystembeiträge
2025 AP 2022+: Stärkung des Sozialversicherungsschutzes
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