Kartengrundlagen für eine standortangepasste Landwirtschaft
Was zeichnet eine standortangepasste Landwirtschaft aus? Wie lässt sich feststellen, ob die Landwirtschaft an einem bestimmten Ort standortangepasst ist? Es gibt immer mehr Grundlagen, die helfen, dies zu beurteilen und dort, wo es nötig ist, Massnahmen zu ergreifen.
Eine standortangepasste Landwirtschaft nutzt die standortspezifischen agronomischen, ökonomischen und ökologischen Potenziale für die Lebensmittelproduktion unter Berücksichtigung der ökologischen Tragfähigkeit der Ökosysteme. Die Umweltziele Landwirtschaft beschreiben dabei den Zustand, mit dem die langfristige Erhaltung der Tragfähigkeit der Ökosysteme und der Ökosystemleistungen gewährleistet werden kann. Karten mit entsprechenden Informationen sind zunehmend verfügbar.
Lange bevor es digitale Karten gab, wurden bereits Kartengrundlagen zu den Potenzialen einer standortangepassten Lebensmittelproduktion erstellt, z.B. die Boden- und die Klimaeignungskarte für verschiedene Kulturen. Diese werden laufend verbessert und stehen digital zur Verfügung (Bodeneignungskarte, Klimaeignungskarte). Zurzeit arbeitet Agroscope daran, Flächen, die sich für den Ackerbau eignen, von solchen zu unterscheiden, die besser als Dauergrünland genutzt werden (link auf den Agrarberichtsartikel «Flächenpotentiale für eine standortangepasste Landwirtschaft»). Neben den Eignungskarten zu Boden und Klima werden dabei auch die Topographie, die Biodiversität, die Erosion sowie die organischen Böden berücksichtigt.
Verschiedene Karten zeigen den Zustand und das Verbesserungspotenzial im Bereich Biodiversität. Dazu gehören unter anderem die Karten zur Operationalisierung der Umweltziele Landwirtschaft im Bereich Ziel- und Leitarten, Lebensräume (OPAL), die Karte der potentiellen Feucht-(Acker)Flächen der Schweiz oder die Karte zur räumlichen Abdeckung insektenbestäubter Kulturen durch Honigbienen.
Neben den Karten zu den Potenzialen für die landwirtschaftliche Produktion gibt es auch Karten, die Risiken aufzeigen. Dazu gehören die Erosionsrisikokarte und die Risikokarten für Pflanzenschutzmitteleinträge (PSM-Einträge) in Oberflächengewässer. Letztere zeigen für 20’000 Einzugsgebiete das Potenzial für PSM-Einträge über Drainage, Abschwemmung und Punktquellen vom Hof.
In einem nächsten Schritt wurde für diese Einzugsgebiete die potenziellen Risiken für Wasserlebewesen durch PSM-Einträge in Oberflächengewässer modelliert. Dazu wurden die Bewirtschaftung der einzelnen Parzellen, ein für die angebaute Kultur typicher PSM-Einsatz sowie die chemischen und ökotoxikologischen Eigenschaften der entsprechenden Wirkstoffe berücksichtigt. Die Eintragspfade Abschwemmung, Drainage und Drift wurden ebenso berücksichtigt wie relevante räumliche Parameter wie Hangneigung, klimatische Bedingungen oder die Distanz einer Parzelle zum Gewässer (Link auf den Bericht). Abbildung 1 zeigt die Resultate dieser Studie. Solche Karten helfen, Massnahmen zur Risikominderung gezielt dort umzusetzen, wo da potenzielle Risiko besonders gross ist.
Abbildung 1:
a) charakteristische Kulturen pro Einzugsgebiet (EZG),
b) dominante Eintragspfade in einem EZG: die Abbildung zeigt, welcher Eintragspfad in einem Einzugsgebiet für das Risikopotenzial für Wasserlebewesen bestimmend war. Dazu wurde für jeden Eintragspfad ermittelt, für welchen Anteil der Rasterzellen (25 m x 25 m) dieser das Risiko bestimmte. Der Eintragspfad, der in den meisten Rasterzellen am wichtigsten war, wurde schliesslich als «dominanter Eintragspfad pro EZG» definiert. (Beachte, dass für EZG in den Voralpen Abschwemmung als Eintragspfad wegen fehlender Datenbasis nicht berücksichtigt wurden. Deshalb erscheint in diesen Regionen oft Drift als dominanter Eintragspfad)
c) dominante Wirkungsbereiche: gibt für jedes EZG an, welche PSM-Klasse (Herbizide, Fungizide oder Insektizide) auf den meisten Rasterzellen für das Risikopotenzial bestimmend war.
d) Modellierte aquatische Risikopotenziale: dargestellt sind «Risikospitzen». Diese Kennzahl repräsentiert die höchsten Risikopotenziale in einem Einzugsgebiet. Dazu wurde das mit der landwirtschaftlichen Fläche gewichtete 90. Perzentil der Risikopotenziale aller Rasterzellen in einem EZG bestimmt. Die 10% der EZG mit den höchsten «Risikospitzen» sind in dunkelrot, die 10% der EZG mit den tiefsten Risikospitzen in dunkelblau dargestellt.
Ein weiterer Kartentyp zeigt Umweltbelastungen auf. Dazu gehören die Karten zur der Stickstoffdeposition aus der Luft und zur Überschreitung der kritischen Eintragsgrenzen für Stickstoff. Darüber hinaus gibt es Karten zu den Stickstoff- und Phosphoreinträgen in die Gewässer. Diese Karten dienen vor allem dazu, Handlungsbedarf und zeitliche Veränderungen zu erkennen.
Zunehmend werden auch Satellitenbilder genutzt. Eine wichtige Grundlage sind die frei verfügbaren Sentinel-2-Daten des Copernicus-Programms. Im Projekt DeepField hat ein Team der ETH und der Universität Zürich sowie von Agroscope drei verschiedene Einsatzmöglichkeiten von Satellitenbildern untersucht. Die erste Arbeit befasst sich mit der automatisierten und kontinuierlichen Klassifizierung von landwirtschaftlichen Flächen. Die zweite zeigt, wie sich der Ernteertrag und die Stickstoffversorgung der Kulturen geschätzt werden können. Die dritte Arbeit untersucht, wie der für die Biodiversität wichtige Schnittzeitpunkt von Wiesen aus dem Weltraum bestimmt werden kann.
Der potenzielle Nutzen solcher Daten reicht von Bewirtschaftungsempfehlungen innerhalb einer Parzelle, die zu einer standortangepassteren Landwirtschaft beitragen können, bis hin zum Monitoring von Umweltleistungen der Landwirtschaft.
Mit zunehmendem Wissen über standortspezifische Potenziale, Risiken und Bedingungen kann immer besser beurteilt werden, ob die Landwirtschaft an einem bestimmten Ort standortangepasst ist. Damit wird es auch zunehmend möglich, Massnahmen gezielt dort zu ergreifen, wo sie notwendig sind.
Literaturangabe
BAFU, BLW (2016): Umweltziele Landwirtschaft. Statusbericht 2016. Reihe Umwelt-Wissen
Hutchings C., Spiess E., Prasuhn V. (2023) Abschätzung diffuser Stickstoff- und Phosphoreinträge in die Gewässer der Schweiz mit MODIFFUS 3.1. Stand 2020, Agroscope Science, 155, 2023, 1-161.
Koch, U.; Prasuhn, V. (2021): Risikokarten für den Eintrag von Pflanzenschutzmitteln in Oberflächengewässer auf Einzugsgebietsebene Agroscope Science. Nr. 126. 2021
Mathis M., Ranke J., Blom J., de Baan L., Balmer M. (2023): Pflanzenschutzmittel Risikokarten. Räumliche Modellierung des ökotoxikologischen Risikopotenzials von Pflanzenschutzmitteln für Einzugsgebiete in der Schweiz. Agroscope Science | Nr. 171 / 2023
Ozgur Turkoglu M., D'Aronco S., Perich G., Liebisch F., Streit C., Schindler K., Wegner J.D. (2021:) Crop mapping from image time series: Deep learning with multi-scale label hierarchies.,Remote Sensing of Environment, Volume 264,2021,
Perich G., Turkoglu M.O., Graf L.A., Wegner J.D., Aasen H., Walter A., Liebisch F. (2023): Pixel-based yield mapping and prediction from Sentinel-2 using spectral indices and neural networks. Field Crops Research, Volume 292, 1 March 2023, 108824
Rihm B., Achermann B. (2016): Critical Loads of Nitrogen and their Exceedances. Swiss contribution to the effects-oriented work under the Convention on Long-range Transboundary Air Pollution (UNECE). Federal Office for the Environment, Bern. Environmental studies no. 1642
Sutter L, Dietmann V. Charrière J.-D., Albrecht M. (2017): Nachfrage, Angebot und Wert der Insektenbestäubung in der Schweizer Landwirtschaft. Agrarforschung Schweiz 8 (9): 332-339
Szerencsits E., Prasuhn V., Churko G., Herzog F., Utiger C., Zihlmann U., Walter T., Gramlich A. (2018): Karte potentieller Feucht-(Acker-)Flächen in der Schweiz..Agroscope Science, 72
Walter T., Eggenberg S., Gonseth Y., Fivaz F., Hedinger C., Hofer G., Klieber- Kühne A., Richner N., Schneider K., Szerencsits E., Wolf S.(2013): Operationalisierung der Umweltziele Landwirtschaft : Bereich Ziel- und Leitarten, Lebensräume (OPAL).
ART-Schriftenreihe, 18, 2013, 1-138.
Mein Agrarbericht
Auswahl:
Stellen Sie sich Ihren eigenen Agrarbericht zusammen. Eine Übersicht aller Artikel finden Sie unter «Service».