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Bilanzierungstools für landwirtschaftliche Treibhausgasemissionen sind nützliche Werkzeuge im Kampf gegen den Klimawandel. Ihre Anwendung ist jedoch herausfordernd und sie blenden häufig wichtige Aspekte einer effizienten Landnutzung und Nahrungsmittelproduktion aus.
 

Die Landwirtschaft trägt durch die Emissionen von Treibhausgasen (THG) zum Klimawandel bei. Um die landwirtschaftlichen Klimaziele des Bundes (BLW, BLV, BAFU 2023) zu erfüllen machen sich viele Verbände, Branchenorganisationen, Unternehmen und andere Institutionen zusammen mit Landwirtinnen und Landwirten auf den Weg, Emissionen zu senken. Zahlreiche THG-Rechner wurden entwickelt, mit denen sich die Emissionen von Landwirtschaftsbetrieben abschätzen und die Wirkung von Massnahmen abbilden lassen.

In verschiedenen Pilotprojekten in der Schweiz (siehe Tabelle 1) konnten erste Erfahrungen in der praktischen Anwendung von THG-Rechnern gesammelt werden.
 

Tabelle 1: Landwirtschaftliche Klimaschutzprojekte in der Schweiz und entsprechende THG-Bilanzierungstools (nicht abschliessend)

ProjektTrägerschaftPartnerTool
AgroCO2nceptVerein AgroCO2nceptFlury & Giuliani, Bodenseestiftung, Agroscope, ETHZACCT
Klimaneutrale Landwirtschaft GraubündenMaschinenring Graubünden, Flury & GiulianiALG, Plantahof, DVS, Agroscope, ZHAW, FiBL, HAFL, ETHZACCT
KlimaStaR MilchAaremilch, Emmi, Nestlé, ZMP, AgroCleanTechLiebegg (AG), Inforama (BE), BBZN (LU), HAFL, AgrofuturaKLIR
Plan Climat VaudoisProconseil / PrometerreCanton de Vaud, AGRIDEA LausanneCap’2er
Punktesystem IP-SuisseIP-SuisseAgroscopeSALCA


Die THG-Bilanzierung stellte sich dabei als sehr aufwändig und herausfordernd heraus:

  • Aufgrund von fixen Systemgrenzen können Emissionsverlagerungen über den betrachteten Bereich sowie Auswirkungen auf das Gesamtsystem der Land- und Ernährungswirtschaft kaum berücksichtigt werden.


  • Die Einheit der Resultate hat einen wesentlichen Einfluss auf die Bewertung der Klima- und Umweltleistung. Effektiver Klimaschutz bedingt eine Reduktion der absoluten Emissionen (CO2-Äquivalente pro Jahr). Effizienzfortschritte und Betriebsvergleiche werden aber meist in relativen Effizienzgrössen (z. B. kg CO2-Äq. pro kg Milch) gemessen und geben daher keine Auskunft über die Höhe der Gesamtemissionen.


  • Die Wirkung von Bewirtschaftungsmassnahmen lässt sich in der Regel nicht abgrenzen von externen Einflüssen, welche nicht unter der Kontrolle der Betriebsleiter/-innen stehen (z. B. Witterung, Markt).

Durch diese Umstände ergeben sich diverse Schwierigkeiten bezüglich:  

  • der Fairness von Betriebsvergleichen,

  • der Entschädigung von Mehraufwänden oder Reduktionsleistungen sowie

  • der allgemeinen Umweltintegrität auf Stufe des gesamten Landwirtschafts- und Ernährungssystems.

Um zu verhindern, dass Fehlentwicklungen angestossen werden, müssen daher zusätzlich zu den THG-Emissionen diverse weitere Aspekte beachtet werden (Bretscher und Felder 2019). Diese Aspekte umfassen insbesondere die Standortangepasstheit der Produktion und ein effizienter Umgang mit der knappen Ressource Land (siehe auch Zumwald et al. 2019).

Tabelle 2 vergleicht zwei Milchviehbetriebe im Hinblick auf absolute THG-Emissionen und THG-Effizienzen. Zusätzlich zur THG-Bilanzierung werden vereinfachte Indikatoren für die Nahrungsmittelkonkurrenz (zugekauftes Kraftfutter pro GVE) und Flächenkonkurrenz (durch Futterbau belegte Ackerfläche pro GVE) aufgeführt.
 

Tabelle 2: Kenngrössen von zwei Milchproduktionsbetrieben des AgroCO2ncept Projektes (basierend auf Zosso et al.)

Emissionen
(t CO2-Äq./Jahr)
Effizienz
(kg CO2-Äq./kg Milch)
zugekauftes Kraftfutter
(GJ/GVE)
durch Futterbau belegte
Ackerfläche (ha/GVE)
Betrieb 15260,795,50,49
Betrieb 22981,000,00,10


Betrieb 1 hat wesentlich tiefere Emissionen pro kg Milch als Betrieb 2 und würde somit in der Regel als effizienter eingestuft. Die Tierproduktion steht auf diesem Betrieb gleichzeitig verstärkt in Konkurrenz zur menschlichen Ernährung, was aus den Resultaten der meisten THG-Rechner nicht ohne weiteres ersichtlich ist. Die relativ grosse Belegung von Ackerfläche für die Futterproduktion (zum einen direkt auf dem Betrieb und zum anderen über das zugekaufte Kraftfutter) senkt hier die Gesamteffizienz im Ernährungssystem. Es ergibt sich also ein Spannungsfeld zwischen einzelbetrieblicher und/oder produktbezogener THG-Effizienz auf der einen und Gesamtsystemeffizienz auf der anderen Seite. Aus Sicht der Ressourceneffizienz und der Gesamtklimawirkung sollte die Produktion von Lebensmitteln gegenüber der Futtermittelproduktion priorisiert werden, was hier für den Betrieb 2 sprechen würde.

Der Einsatz von einzelbetrieblichen THG-Rechnern in der Praxis hat gezeigt, dass diese massgeblich zu einer generellen Sensibilisierung beitragen und Handlungsoptionen aufzeigen können. Sie sind jedoch kein Ersatz für eine solide fachliche Beratung und Begleitung, welche das Gesamtsystem der Land- und Ernährungswirtschaft im Blickfeld haben.

BLW, BLV, BAFU 2023: Klimastrategie Landwirtschaft und Ernährung 2050. Verminderung von Treibhausgasemissionen und Anpassung an die Folgen des Klimawandels für ein nachhaltiges Schweizer Ernährungssystem.
Bretscher D., Felder D. 2019: Klimafreundliche Produktion. Agrarbericht 2019.
Zosso et al. (in Vorbereitung für die Agrarforschung Schweiz).
Zumwald et al. 2019: Indikatoren für die Flächen- und Nahrungsmittelkonkurrenz in der Schweizer Milchproduktion: Entwicklung und Test zweier Methoden. Agroscope Science 85.

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